Abschied und Neuanfang
Es ist vollbracht, ich habe die dritte Überarbeitungsrunde von Wiedergeburt abgeschlossen. Und ehrlich gesagt hat mich das im ersten Moment traurig gemacht. So traurig, dass ich angefangen habe, Epiloge für meine liebsten Nebencharaktere zu schreiben. Ich wollte einfach noch ein bisschen Zeit mit diesen wunderbaren Menschen verbringen, bevor ich das Manuskript in andere Hände gebe.
Testleser gesucht und gefunden
Denn ich habe mich entgegen dem Rat meiner Mentorin dazu entschlossen, den Text erneut einmal testlesen zu lassen. In der ersten Runde bekam ihn nur meine beste Freundin zu Gesicht, die auch die Kurzgeschichten für diese Webseite lektoriert. Dieses Mal gebe ich es noch einem weiteren Freund, der ebenfalls schreibt, aber dessen Meinung wahrscheinlich krass abweichen wird. Und genau das will ich. Ich will einen anderen, frischen Blick auf meinen Roman bekommen.
Deswegen habe ich zusätzlich in der Twitter-Schreibbubble nach Testlesern gesucht. Auch wenn der Gedanke, völlig Fremden mein Manuskript zu zeigen, mich in leichte Panik versetzt hat. Absurderweise habe ich Angst davor, dass sie irgendeinen essenziellen Fehler finden, der mir nicht aufgefallen ist. Dabei ist das ja genau der Sinn und Zweck einer Testleserunde. Es ist aber schon noch einmal ein Unterschied, wenn die Kritik von jemandem kommt, den man praktisch gar nicht kennt.
Ich liebe meine Geschichte und doch fürchte ich, dass andere sie einfach nur langweilig finden.
Aber da muss ich jetzt durch. Wenn ich eine Verlagsbewerbung anstrebe, muss ich mich früher oder später mit dem Gedanken anfreunden, dass fremde Menschen meine Texte lesen und bewerten (eigentlich generell, bei Veröffentlichungen). Und ich will das definitiv versuchen, auch wenn ich mir meine Chancen nicht allzu groß ausmale.
Zumindest nicht mit diesem Manuskript, weil die Geschichte nicht wirklich einem klassischen Plot folgt.
Tatsächliche glaube ich, dass ich mit dem Projekt, das als Nächstes auf der To-do-Liste steht, leichter einen Verlag finden würde. Aber bis das spruchreif ist, wird noch einige Zeit ins Land gehen. Schließlich ist nicht einmal der Erstentwurf fertig.
Eine nicht so intensive Schreibwoche
Eigentlich wollte ich diesen gern während des Bootcamps abschließen, aber ich war weniger produktiv als in den Vorjahren. Ich kam nicht richtig in die Geschichte rein. Wahrscheinlich auch, weil ich mich noch nicht von Wiedergeburt abgenabelt habe.
Es fällt mir schwer, nach der Arbeit an einem Projekt sofort ein neues zu starten beziehungsweise an einem anderen Erstentwurf weiterzuarbeiten. Ich hoffe das kommt mit etwas mehr Routine irgendwann von allein.
Aber es gab noch weitere Faktoren, die meine mangelnde Motivation erklären könnten.
Es war in diesem Jahr nämlich leider so, dass wir keine Schreibaufgaben als Hausaufgabe bekommen und dementsprechend auch morgens keine Texte vorgelesen wurden. Dieser Part war für mich immer eine Quelle der Inspiration.
Aber als die Kursleiterin Jesse uns am ersten Tag zur Einstimmung die Aufgabe gab, einen Text darüber zu verfassen, warum wir schreiben und dann darum bat, diese mit der Gruppe zu teilen, waren einige Teilnehmer wenig begeistert.
Versteh mich nicht falsch, es wird nie jemand gezwungen vorzulesen, wenn er nicht will. Es ist dazu gedacht, dass man sich etwas besser kennenlernt, mal die Stimmen der anderen Teilnehmer hört und selbstbewusster wird.
Und auch die Übungen, die wir bekommen haben, waren immer freiwillig. Aber es hilft einem, aus der eigenen Komfortzone zu kommen und mal etwas zu schreiben, dass man vielleicht sonst nicht anfassen würde. Ich habe dadurch meine Abneigung gegen Sexszenen abgelegt und genieße es inzwischen, welche zu schreiben.
Aber dieses Jahr stieß die Idee, dass man neben dem eigenen Projekt noch andere Aufgaben erledigen sollte, auf Widerstand. Auch die morgendliche Begrüßungsrunde, in der die Teilnehmer kurz erzählen, wie es ihnen geht und wie sie vorankommen, schien für einige eher ein Hindernis, als eine Bereicherung zu sein. Sie wollten ausschließlich an ihren Texten arbeiten.
An sich kann ich das auch irgendwo nachvollziehen. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn man diesen Teilnehmern die Möglichkeit gegeben hätte, sich zu separieren. Aber die Konsequenz, die Jesse gezogen hat, war leider, dass sie auf die Hausaufgaben zugunsten der Morgenrunde verzichtet.
Und somit viel für mich auch eine Inspirationsquelle weg. Denn gerade der Austausch ist es, der mich jedes Jahr wieder in diesen Kurs lockt. Schreiben kann ich inzwischen fast überall. Dafür brauche ich den gesonderten Raum nicht mehr. Aber sich mit anderen Schriftstellern auszutauschen und neue Stimmen zu hören, dazu bekommt man seltener die Gelegenheit.
Deswegen fand ich es sehr schade, dass so wenig Interesse daran zu bestehen schien.
Ich habe dieses Feedback am Ende auch weitergegeben und Jesse war meiner Meinung. Nächstes Jahr wird sie die Hausaufgaben wieder ins Programm nehmen und sich nicht so von der Energie der Gruppe beeinflussen lassen. Wer nicht mitmachen will, muss ja nicht. Aber so werden zumindest die Teilnehmer, die offen für neue Erfahrungen sind, nicht dieser beraubt.
Was zum Glück nicht weggefallen ist, ist die Abschluss-Leserunde. Am letzten Tag haben wir uns wie immer Zeit genommen, damit jeder ein bisschen aus seinem Projekt lesen konnte. Die anderen Teilnehmer dürfen dann Feedback geben, aber nur wohlwollendes. Da es sich um Erstentwürfe handelte, sollten wir und mit Kritik zurückhalten.
Und obwohl Jesse dieses Mal großzügige drei Stunden eingeplant hatte, gab es schon nach den ersten beiden Lesern Beschwerden, dass wir uns zu viel Zeit lassen würden. Zugegeben hatten wir uns etwas ausführlicher mit den Texten auseinandergesetzt. Das schien einigen aufzustoßen, da sie fürchteten, nicht an die Reihe zu kommen.
Interessanterweise waren es natürlich genau diese Kandidaten, die selbst nichts zu den anderen Teilnehmern beitrugen und wesentlich mehr als die angestrebten sieben Minuten lasen.
Sorry, wenn ich hier ein wenig bissig bin, aber ich hatte schon den Eindruck, dass einige Autoren dieses Jahr sehr selbstzentriert waren und sowas finde ich höchst unsympathisch. Wer selbst gehört werden und Feedback haben will, sollte auch bereit sein anderen zuzuhören und eigene Anregung zu geben.
Im Großen und Ganzen war es dennoch eine erfolgreiche Woche. Ich bin in meinem Projekt weitergekommen, habe mich in den Pausen mit ein paar Teilnehmer unterhalten und wurde sogar nach der Webseite gefragt. (Ich sollte wohl doch mal Visitenkarten drucken lassen.) Vielleicht bleiben dieses Mal ja wieder einige von uns in Kontakt und es kommt noch ein intensiverer Austausch zustande.
© 2022 Lilli Schwarz | Alle Rechte vorbehalten
Cover von Erdenebayar Bayansan auf Pixabay | bearbeitet von Lilli Schwarz
Gefällt dir, was du liest?
Bilder von Karolina Grabowska und Karolina Grabowska auf Pexels | bearbeitet von Lilli Schwarz