Die Nahaufnahme einer Seite Papier, die eng mit einer schwer leserlichen Handschrift bekritzelt ist.
Schreibtagebuch

Das Ende, ein neuer Anfang


Meine guten Vorsätze fürs neue Jahr: Endlich wieder häufiger schreiben.

Wie schon erwähnt, mache ich mir inzwischen nicht mehr so viele Sorgen oder Vorwürfe, wenn das Schreiben mal eine Weile auf der Strecke bleibt, aber mittlerweile vermisse ich es wirklich.

In den letzten Monaten war ich mit dem Aufbau der Website beschäftigt und habe alles andere etwas vernachlässigt. Das ist leider ein Nebeneffekt meines begeisterungsfähigen Charakters: Ich vertiefe mich immer sehr in eine Aufgabe und lasse viele Dinge links liegen. Das geht so weit, dass ich kaum noch mit anderen Menschen rede (nicht mal mit meinem Freund, mit dem ich ja untere einem Dach lebe).

Ich würde mir zum Vorsatz machen, etwas daran zu ändern, wenn ich es nicht auf gewisse Weise auch genießen würde, so in meiner eigenen Welt zu versinken.

Wie ich den letzen Punkte setzte

Aber genug davon. Ich war mit meiner Erzählung im Jahr 2018 stehen geblieben. Das Jahr in dem ich erkannte, dass ich mein Ziel, eine Schriftstellerin zu werden, schon längst erreicht hatte und dass ich keine Anerkennung von irgendjemandem benötigt hatte, um das zu schaffen. So konnte ich mich auch von eigenen Ansprüchen befreien und begann wieder nur für mich zu schreiben. Ohne Druck, ohne Erwartungen.

Ich war in dieser Ziellosigkeit frei und zufrieden. Warum sollte es nach all den Jahren, in denen ich schon an meinem Erstling arbeitete, noch auf ein oder zwei weitere ankommen?

Mit einer Teilnehmerin aus dem Kurs, mit der ich den Kontakt gehalten hatte, startete ich eine kleine Schreibrunde. Wir trafen uns halbwegs regelmäßig in einer Bibliothek und schrieben fünf Stunden am Stück. Später holte ich auch meine beste Freundin dazu und das Ganze wurde zu einem wöchentlichen Termin, an dem teilnahm, wer Zeit und Lust hatte.

Wenn uns die Inspiration für unsere Projekte fehlte, ließen wir von einem Online-Generator ein zufälliges Wort vorschlagen und schrieben dazu kurze Texte als Assoziationsübung (einige von diesen sind und werden hier zu lesen sein). Ich überzeugte sogar meine Freundin im nächsten Jahr (2019) mit zu dem Kurs zu kommen.

Beim zweiten Mal fiel mir der Start ins unbeschwerte Schreiben schwerer und ich brach nicht die Wort-Rekorde aus dem ersten Jahr. Dafür gelang es mir nach 11 Jahren endlich, meinen Erstentwurf zu beenden.

Das schreibt sich so einfach dahin, aber für mich war das ein absoluter Meilenstein!

Das Gefühl, das letzte Wort zu schreiben, den letzten Punkt zu setzen, war einer der größten Höhenflüge, die ich je erlebt habe. Mein Körper war leicht, als könnte ich jeden Moment vom Boden abheben. Vom Rücken aus breitete sich ein Kribbeln in mir aus, das Herz schlug so heftig, dass ich es bis in die zitternden Finger spürte. Die Euphorie machte mich hibbelig, ich musste mich bewegen, verließ daher den Raum und begab mich nach draußen.

Ich muss wie eine Irre ausgesehen haben, hüpfte mehr durch die Fußgängerzone, als das ich ging, sprang auf niedrige Mauern und balancierte auf ihnen, wie ein Kind, tanzte in der sengenden Hitze, die in diesem Sommer herrschte, zu meiner Lieblingsmusik. Der Schweiß lief mir in Strömen, aber es war mir egal. Dabei hatten mich die Temperaturen schon die ganze Woche über gequält (ich bin ein absoluter Wintermensch), doch in diesem Moment fühlte ich sie kaum noch. Ich stolperte sogar versehentlich durch eine Brennnessel und bemerkte den Schmerz gar nicht. Er war mir einfach egal. Alles war egal! Ich hatte es endlich geschafft!

Und das Warten hatte sich gelohnt.

Überarbeiten… Schreiben… Überarbeiten…

Dieses Mal gab es nach dem Kurs keine Schreibpause. Doch den Roman ließ ich zunächst in Ruhe. Für die Korrektur wurde der Kritiker, den ich im letzten Jahr in eine verschlossene Kammer verbannt hatte, gebraucht und ich war noch nicht bereit, ihn wieder freizulassen. Die Euphorie musste erst ausbrennen und Platz schaffen, für Vernunft und Verstand.

Also schrieb ich an einigen Kurzgeschichten und spielte mit neuen Ideen für Projekte.

Es vergingen etwa drei Monate, ehe ich mich an die Überarbeitung meines Erstlings machte. Zunächst las ich das Manuskript (beinahe) am Stück durch. Und wie nicht anders zu erwarten, war der Texte ein Chaos. Dem mangelnden Denken beim Schreiben geschuldet, gab es Ungereimtheiten in der Story, Szenen, die keinen Sinn ergaben, Charaktere, die sich nicht verhielten, wie sie es sollten. Aber es gab auch Momente, die mir das Herz höherschlagen ließen, mir eine Gänsehaut versetzen und mich stolz machten. Stolz darauf, dass ich sie geschrieben hatte, dass sie ohne mein Zutun, nie zu Papier gebracht worden wären. Und auf dieses Gefühl konzentrierte ich mich.

So demotivierte mich nicht einmal der Gedanke, dass reines Überarbeiten nicht ausreichen würde, um alle Fäden an die richtige Stelle zu bringen, und ich einen zweiten Entwurf anfertigen musste. Den Erstentwurf beendet zu haben, hatte mir gezeigt, dass ich dazu fähig bin und es jeder Zeit wieder tun konnte.

Also begann ich von Neuem, dieses Mal mit vorheriger Planung. Ich wollte mir über den Ablauf klar sein, wissen, in welcher Reihenfolge die Szenen stattfinden sollte, wie die Charaktere handeln würden und warum sie das taten.

Dieses „Plotting“ fiel mir tatsächlich nach all der Zeit, in der ich das Denken beim Schreiben vermieden hatte, nicht gerade leicht. Es dauerte eine Weile, bis ich ein System fand, dass für mich funktionierte: Ich begann meine Gedankenmonologe mit einem Voicerecorder aufzuzeichnen und hörte mir im Nachhinein an, was sich so in meinem Kopf abspielte. Im Prinzip perfektionierte ich das Mit-mir-selbst-Reden.

Aber es half. Beim Sprechen hatte ich noch weniger Hemmungen absurde Ideen herauszulassen und so konnte ich unter all dem Quatsch, den ich dabei verzapfte, die perfekten Elemente für meine Story finden. Es lief also wieder auf Quantität über Qualität hinaus.

Am Ende konnte ich zumindest einige Szenen unverändert beibehalten, viele mussten nur leicht abgewandelt oder an eine andere Stelle der Geschichte gesetzt werden. Die hauptsächliche Veränderung durchlebten meine Charaktere.

Ich gab ihnen Hintergrund, besonders den Antagonisten, und veränderte die Beziehungen, in denen sie zueinander stehen. Ich glaube, nur eine einzige Figur blieb praktisch unverändert und interessanterweise war es nicht der Hauptcharakter.

Es ist wohl nicht verwunderlich, dass dieser zweite Entwurf mir um einiges schneller von der Hand ging. Aber davon werde ich dir im nächsten Monat erzählen, wenn das Jahr 2020 vorbei ist und ich darauf zurückblicken kann, als läge es schon wesentlich weiter in der Vergangenheit.

Schließlich ist es wohl das, was mich und vielleicht auch dich dieses Jahr hat überstehen lassen: das Wissen, dass es irgendwann zu Ende ist.

Ich wünsche dir einen guten Rutsch und ein besonders gesundes neues Jahr. Wir lesen uns 2021 wieder.


© 2020 Lilli Schwarz | Alle Rechte vorbehalten

Cover von Erdenebayar Bayansan auf Pixabay | bearbeitet von Lilli Schwarz

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Bilder von Karolina Grabowska und Karolina Grabowska auf Pexels | bearbeitet von Lilli Schwarz Lilli Schwarz

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